- Adressaten dieser Allgemeinverfügung sind
a) alle auf dem Betriebsgelände der Firma Geestland Putenspezialitäten GmbH & Co KG, Düngstruper Straße 61, 27793 tätigen Personen, die im Landkreis Diepholz wohnen,
b) alle Personen, die sich zu Besuchs- oder Wohnzwecken in der Kaserne in 49419 Wagenfeld, Auf der Welge 3, in den Gebäuden 12 und 13 aufhalten sowie
c) Kontaktpersonen der unter 1a) und 1b) genannten Personen der Risikokategorie II (z.B. Personen, die sich im selben Raum wie ein bestätigter COVID-19-Fall aufhielten, z.B. Arbeitsplatz, jedoch keinen kumulativ mindestens 15-minütigen Gesichts- („face-to-face“) Kontakt mit dem COVID-19-Fall hatten, Familienmitglieder oder Mitbewohner, die keinen mindestens 15-minütigen Gesichts- (oder Sprach-) kontakt hatten.) oder Personen ohne direktem Kontakt zu einem Covid-Verdachtsfall, aber in gleichem Haushalt mit einem Covid-Kontaktperson wohnen.
- Anordnungen
a) Gegenüber den unter 1a) und 1b) genannten Personen wird eine Absonderung in häuslicher Quarantäne bis zum 10.07.2020, 24.00 Uhr, angeordnet.
Es ist diesen Personen in dieser Zeit untersagt, ihre Unterkünfte oder sonstigen Wohnstätten ohne ausdrückliche Zustimmung des Gesundheitsamtes zu verlassen.
Ferner ist es ihnen in dieser Zeit untersagt, Besuch von Personen zu empfangen, die nicht in derselben Unterkunft oder sonstigen Wohnstätte wohnen.
b) Für die Zeit der Absonderung unterliegen die unter I. Ziffer 1 und 2 genannten Personen der Beobachtung durch das Gesundheitsamt gemäß § 29 des Infektionsschutzgesetzes (IfSG).
c) Im Fall, dass in Abschnitt II Ziffer 1 genannte Personen im Rahmen der bis zum 24.06.2020 durchgeführten Testung negativ getestet worden sind und keine Corona-typischen Symptome (Fieber, Husten, Schnupfen, Halsschmerzen, Geruchs- und Geschmacksstörungen, Allgemeine Schwäche) aufweisen, dürfen diese Personen im notwendigen Umfang im Rahmen einer Arbeitsquarantäne unter Beachtung der Hygiene- und Abstandsregeln und des Tragens von FFP2-Masken in folgenden Bereichen der Firma Geestland Putenspezialitäten GmbH & Co.KG. tätig werden:
- Standortverwaltung,
- Geschäftsleitung,
- Technik,
- Handwerk,
- Reinigung,
- Sicherheit
- Mitarbeiter überwachender Behörden,
- Back-up Versorgung der Personen in den Quarantäne-Wohnungen: Erlaubt sind die Einfahrt, Einlagerung, die Kommissionierung, die Verladung, die Abholung, die Gestellung von Lade-Hilfsmitteln im gereinigten Zustand sowie die Ausfahrt.
- Übersetzungstätigkeiten zur Unterstützung der Kassenärztlichen Vereinigung Oldenburg bei der Versorgung der unter I. genannten Personen
- Produktionsarbeiter/innen, soweit es zur Abschlussverarbeitung der aktuellen Putenbestände auf dem Betriebsgelände Düngstruper Str. 61, 27793 Wildeshausen, notwendig ist. Hierbei hat die Fahrt zwischen Arbeitsstätte und Unterkunft ohne Unterbrechung zu erfolgen. Die Regelungen des § 2 Abs.2 der Nds. Verordnung zum Schutz vor Neuinfektionen mit dem Corona-Virus sind zu beachten.
d) Die in Abschnitt II Ziffer 1 genannten Personen haben telefonisch das Gesundheitsamt zu kontaktieren, wenn sie während der Absonderung Corona-typische Symptome (Fieber, Husten, Schnupfen, Halsschmerzen, Geruchs- und Geschmacksstörungen, Allgemeine Schwäche) entwickeln.
Für den Kontakt mit dem Gesundheitsamt sollte folgende Telefonnummer genutzt werden:
05441/976-1801.
e) Sollten die oben unter genannten Personen ärztliche Hilfe benötigen, so haben sie den in Anspruch genommenen Dienst vorab telefonisch und bei Kontakt mit medizinischem Personal die jeweilige Person zunächst darüber zu informieren, dass sie Adressat dieser Verfügung sind.
f) Ungeachtet der Regelung zu 2d) werden alle weiteren unter 1a) und 1b) genannten Personen in einem Rhythmus von 7 Tagen nach der letzten Testung für die Dauer der Quarantäne erneut getestet.
g) Die o.g. unter 1a) und 1b) Personen dürfen ihre berufliche Tätigkeit nach Abschluss der häuslichen Quarantäne erst wieder aufnehmen, wenn sie negativ auf das Corona-Virus getestet worden sind.
h) Im besonderen Einzelfall können Ausnahmen von den o.g. Regelungen getroffen werden.
- Empfehlung
Gegenüber den unter 1 c) genannten Personen wird empfohlen, sich in eine 14-tägige häusliche Isolierung zu begeben.
- Vollziehbarkeit
Diese Allgemeinverfügung ist gemäß § 28 i.V.m. § 16 Abs. 8 IfSG sofort vollziehbar.
- Bekanntgabe
Die Allgemeinverfügung gilt einen Tag nach ihrer Veröffentlichung als bekannt gegeben( § 1 Abs.1 NVwVfG i. V. m .§ 41 Abs.4 S.4 VwVfG)
Die Allgemeinverfügung und ihre Begründung können im Gesundheitsamt des Landkreises Diepholz, Wellestr.6, 49356 Diepholz, und auf der Internetseite des Landkreises www.diepholz.de eingesehen werden.
- Geltungsdauer
Diese Allgemeinverfügung gilt bis zum 10.07.2020, 24:00 Uhr.
Begründung
Die vorliegende Anordnung verfolgt das Ziel, die Verbreitung des Corona-Virus einzudämmen.
1. Sachverhalt:
Im Wesentlichen liegt folgender Sachverhalt zugrunde:
Am Sonntag, 21.06.2020, erhielt das Gesundheitsamt des Landkreises Oldenburg erste Hinweise auf ein mögliches Infektionsgeschehen bei dem Putenschlachtbetrieb Geestland, da eine Mitarbeiterin positiv auf das Corona-Virus getestet wurde. Weitere Testungen im Arbeitsumfeld der Mitarbeiterin ergaben am 23.06.2020 23 und am 24.06.2020 insgesamt 35 positiv getestete Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Daraufhin wurde am 22.06.2020 eine Reihentestung von bei der Firma Geestland Putenspezialitäten GmbH & Co.KG tätigen Personen durchgeführt. Von den insgesamt 1115 Testergebnissen gab es bis 25.06.2020 insgesamt 44 Personen mit einem Covid-positiv-Befund. Dies zeigt, dass in dem Schlachtbetrieb Geestland ein erhebliches Infektionsgeschehen vorliegt. Es ist mit großer Wahrscheinlichkeit davon auszugehen, dass weitere Personen bereits infiziert sind und in den nächsten 14 Tagen erkranken und dabei weitere Personen infizieren. Dies gilt insbesondere, da es ernstzunehmend wissenschaftliche Erkenntnisse gibt, dass zirkulierend gekühlte Umluft im Zerlegebereich zur Ausbreitung beiträgt.
2. Rechtliche Würdigung
a) Rechtsgrundlage für die Anordnung der Quarantäne in II. Ziffer 1 ist § 28 Abs. 1 sowie § 30 Abs. 1 IfSG in Verbindung mit § 3 Abs. 1 Nr. 1 NGÖGD.
Gemäß § 28 Abs. 1 IfSG trifft die zuständige Behörde die notwendigen Schutzmaßnahmen, wenn Kranke, Krankheitsverdächtige, Ansteckungsverdächtige oder Ausscheider festgestellt werden, soweit und solange es zur Verhinderung der Verbreitung übertragbarer Krankheiten erforderlich ist. Sie kann insbesondere Personen verpflichten, den Ort, an dem sie sich befinden, nicht oder nur unter bestimmten Bedingungen zu verlassen oder von ihr bestimmte Orte oder öffentliche Orte nicht oder nur unter bestimmten Bedingungen zu betreten.
Gemäß § 30 Abs. 1 IfSG kann bei Kranken, Krankheitsverdächtigen, Ansteckungsverdächtigen und Ausscheidern angeordnet werden, dass sie in geeigneter Weise abgesondert werden, soweit und solange es zur Verhinderung der Verbreitung der übertragbaren Krankheit notwendig ist.
Zuständige Behörde ist gemäß § 28 Abs. 1 IfSG i. V. m. § 3 Abs. 1 Nr. 1 NGÖGD das Gesundheitsamt des Landkreises Diepholz.
Die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 28 Abs. 1 IfSG sowie des § 30 Abs. 1 IfSG sind erfüllt. Bei COVID-19 handelt es sich um eine übertragbare Krankheit im Sinne des § 2 Nr. 3 IfSG.
Im Betrieb der Firma Geestland Putenspezialitäten sind im Rahmen der seit dem 22.06.2020 laufenden Testung bereits jetzt 44 positive Befunde festgestellt worden. Damit ist ein Teil der unter I. Ziffer 1 genannten Personen bereits positiv auf das Corona-Virus getestet.
Es ist zudem davon auszugehen, dass diejenigen Personen unter I. Ziffer 1, die bislang nicht positiv getestet worden sind und die unter I. Ziffer 2 genannten Personen ansteckungsverdächtig sind. Ansteckungsverdächtig ist nach der Legaldefinition des § 2 Nr. 7 IfSG eine Person, von der anzunehmen ist, dass sie Krankheitserreger aufgenommen hat, ohne krank, krankheitsverdächtig oder Ausscheider zu sein. Dies ist nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG, 22.03.2012, 3 C 16.11) dann der Fall, wenn der Betroffene mit hinreichender Wahrscheinlichkeit Kontakt zu einer infizierten Person oder einem infizierten Gegenstand hatte. Die Vermutung, der Betroffene habe Krankheitserreger aufgenommen, muss naheliegen. Eine bloß entfernte Wahrscheinlichkeit genügt nicht. Demzufolge ist die Feststellung eines Ansteckungsverdachts nicht schon gerechtfertigt, wenn die Aufnahme von Krankheitserregern nicht auszuschließen ist.
Andererseits ist auch nicht zu verlangen, dass sich die Annahme geradezu aufdrängt. Erforderlich und ausreichend ist, dass die Annahme, der Betroffene habe den Krankheitserreger aufgenommen, wahrscheinlicher ist als das Gegenteil. Entscheidend sind die Eigenheiten der jeweiligen Krankheit und verfügbaren epidemiologischen Erkenntnisse und Wertungen. Für die Anforderungen an die Wahrscheinlichkeit einer Ansteckungsgefahr gilt, dass an die Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts umso geringere Anforderungen zu stellen sind, je größer und folgenschwerer der möglicherweise eintretende Schaden ist (BVerwG, 22.03.2012, 3 C 16.11; VG Weimar, 14.03.2019, 8 E 416/19 We).
Infolge der besonders großen Gefahr, die von dem neuartigen Erreger aufgrund seiner hohen Übertragbarkeit und teilweise schwerer Krankheitsverläufe ausgeht, sind an die Wahrscheinlichkeit einer Ansteckung geringe Anforderungen zu stellen.
Die infizierten Personen des Unternehmens hielten sich den Erkenntnissen des Gesundheitsamtes zufolge in verschiedenen Bereichen und Gebäudeteilen auf dem Betriebsgelände des Schlachthofes Geestland, Düngstruper Str. 6, 27793 Wildeshausen auf. Zudem wohnen die Beschäftigten in der Produktion zum überwiegenden Teil in gemeinsamen Unterkünften und werden zum Teil gemeinsam zur Arbeitsstätte und von der Arbeitsstätte in die Unterkunft transportiert.
Ursache für die hohe Ansteckungsgefahr mit Covid-19 im Putenschlachtbetrieb Geestland ist weiterhin die zirkulierende gekühlte Umluft im Zerlegebereich. Unter Kühlung und in rascher Zirkulation bleiben die Aerosole in der Schwebe und in infektiösem Zustand und reichern sich auf engem Raum der Arbeitsplätze am Schlachtband bei schwerer körperlicher Arbeit ggfs. sogar an.
Die damit einhergehende Durchmischung der auf dem Betriebsgelände tätigen Personen begünstigt unter virologischen Gesichtspunkten die Gefahr einer Ansteckung mit dem neuartigen Corona-Virus. Es besteht die Gefahr, dass das Virus sich auf dem Betriebsgelände der Firma Geestland Putenspezialitäten verbreitet hat und dass die auf dem Betriebsgelände tätigen Personen den Krankheitserreger aufgenommen haben.
Zudem ist es wahrscheinlich, dass auf dem Betriebsgelände der Firma Geestland Putenspezialitäten tätige, infizierte oder ansteckungsverdächtige Personen auch Personen angesteckt haben, mit denen sie gemeinsam wohnen.
Die angeordneten Maßnahmen dienen dem Ziel, die Verbreitung des Corona-Virus einzudämmen und damit den Schutz der Bevölkerung sicherzustellen.
Sie sind geeignet, der Verbreitung des Corona-Virus entgegenzuwirken. Durch die Absonderung wird das Risiko verringert, dass andere Personen infiziert werden.
Die Anordnung der Quarantäne ist auch erforderlich. Angesichts des großen Ausbruchsgeschehens auf dem Betriebsgelände der Firma Geestland Putenspezialitäten kann nur so effektiv vermieden werden, dass die unter I. Ziffer 1 und 2 genannten Personen das Corona-Virus in der Bevölkerung verbreiten.
Die sich aus der Absonderung ergebenden Einschränkungen stehen nicht außer Verhältnis zu dem Ziel, eine Weiterverbreitung dieses Krankheitserregers in der Bevölkerung zu verhindern. Diese Gemeinwohlbelange rechtfertigen die hier getroffene Maßnahme. Die Gesundheit und das menschliche Leben genießen einen sehr hohen Stellenwert. Bei der Abwägung überwiegen die Rechtsgüter der körperlichen Unversehrtheit des Einzelnen sowie des Gesundheitsschutzes der Bevölkerung, da es sich hierbei um Rechtsgüter von sehr hoher Bedeutung handelt. Um dem staatlichen Schutzauftrag gerecht zu werden, sind die getroffenen Maßnahmen unter Abwägung aller beteiligten Interessen daher gerechtfertigt.
b) Rechtsgrundlage für die unter II. Ziffer 2. angeordnete Beobachtung ist § 29 IfSG. Die angeordneten Maßnahmen sind notwendig, um festzustellen, ob sich das Ansteckungsrisiko realisiert hat und damit tatsächlich das Risiko einer Weiterverbreitung des Erregers in der Bevölkerung besteht, um ggf. weitergehende Schutzmaßnahmen zu treffen.
c) Die gemäß II. Ziffer 3 in engen Grenzen und unter Schutzmaßnahmen ermöglichte Arbeitsquarantäne dient dazu, etwaige Betriebsstörungen zu vermeiden oder zu erkennen, die Bereitstellung der für die behördlichen Maßnahmen erforderlichen Informationen sicherzustellen (bspw. Kontaktnachverfolgung, Überwachung der Quarantäne) sowie die Versorgung der in Quarantäne befindlichen Personen zu gewährleisten und damit Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung abzuwenden.
Rechtsbehelfsbelehrung
Gegen diese Allgemeinverfügung kann innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe Klage beim Verwaltungsgericht Hannover, Leonhardtstr.15, 30175 Hannover, erhoben werden.
Diepholz, den 26.06.2020
Landkreis Diepholz
in Vertretung
Tammen
Kreisrätin